Holzeinschlag im Bonner Stadtwald mehr als verdoppelt – Biotop-Bäume bleiben auf der Strecke

Antrag Bzv. Elisabeth Struwe und Allianz für Bonn für den Umweltausschuss, Sitzung am 15.03.2017 (DS 1710201)

Von | 12. Januar 2017

Wer in diesen Wochen durch den Bonner Stadtwald geht, dem fällt auf, dass viele Bäume zum Fällen markiert sind und in einigen Teilen des Waldes auch schon gefällt worden sind.

Die großen und schweren Maschinen, die bei der Baumernte helfen, haben den Waldboden aufgewühlt und verdichtet. Wege sind unter dem massiven Druck der schweren Maschinen matschig und teils unbegehbar geworden.

Mehrfach hat die Stadtförsterei in öffentlichen Verlautbarungen die Holzernte als eine ökologisch sinnvolle Maßnahme der „Waldverjüngung“ dargestellt.

Die Allianz für Bonn hat einen Antrag (DS 1710201) dazu an den Ausschuss für Umwelt und Verbraucherschutz gestellt und um Expertenmeinungen von unabhängigen Umweltverbänden gebeten, da sie befürchtet, dass die „Waldverjüngung“ lediglich ein rhetorischer Euphemismus für rein ökonomische Ziele ist, nämlich für die Einnahmen aus dem Holzverkauf. Die seit 2016 maximal zulässigen 2500 Festmeter Holzeinschlag pro Jahr im Bonner Stadtwald (600 Hektar, 15% davon auf Bonner Stadtgebiet) betragen ungefähr das Dreifache von dem, was durchschnittlich in den letzten Jahren jährlich dem Wald entnommen wurde. Das Forstamt vermeldet zwar, dass man sich auf ca. 1800 Festmeter beschränken wolle, da man die steilen Hanglagen am Venusberg ausnehmen wolle, aber auch diese Menge ist immer noch erschreckend hoch.

Es kommt noch hinzu, dass man überwiegend ältere, größere Bäume fällt, weil sie höhere Gewinne versprechen. Aber gerade die älteren Bäume, sie werden auch als Biotopbäume bezeichnet, haben einen hohen Wert für die ökologische Vielfalt, da ihr weicheres Holz Insekten und anderen Gliederfüßlern, Pilzen und Höhlenbewohnern (z.B. Kauze, Fledermäuse, Spechte) Nahrungsgrundlage und Lebensraum bietet. Besonders der dramatische Rückgang von Insekten in den letzten Jahrzehnten zeigt, wie wichtig es ist, ihren Lebensraum zu erhalten.

Aus Sorge um das Erscheinungsbild und die Artenvielfalt des Bonner Stadtwaldes mögen unabhängige Sachverständige die zu erwartenden ökologischen Auswirkungen durch die jährliche Holzentnahme in einer der nächsten Sitzungen des Umweltausschuss darstellen und bewerten. Besonders begrüßenswert wäre es, wenn der Revierförster und Buchautor Wohlleben hierfür gewonnen werden könnte.

Außerdem beantragt die Allianz für Bonn, dass im Rahmen des Biodiversitätsnetzwerkes Bonn (BION) eine begleitende Langzeitstudie über die Auswirkungen des Holzeinschlages auf die Lebensgemeinschaft und Lebensvielfalt des Stadtwaldes erstellt wird. Die Langzeitstudie könnte z.B. von Universitätsinstituten, die sich am Biodiversitätsnetzwerk beteiligen, durchgeführt werden. (Über BION ist unter http://www.bion-bonn.org/de mehr zu erfahren).

Elisabeth Struwe
Mitglied im Ausschuss für Umwelt und Verbraucherschutz
Mitglied der Bezirksvertretung Bonn

Inhalt des Antrages an den Umweltausschuss, Sitzung am 15.03.2017

1. Die Stadtverwaltung wird gebeten Expertenmeinungen von unabhängigen Umweltverbänden (z.B. NABU, BUND) oder dem Revierförster Peter Wohlleben* einzuholen, die ihre Meinungen zu den Folgen des aktuellen Waldbewirtschaftungskonzeptes für den Bonner Stadtwald während einer der nächsten Sitzungen des AUV darlegen. Wünschenswert wäre eine mündliche Darstellung der Expertenmeinung. Wenn dies den Verbänden bzw. Herrn Wohlleben aber nicht möglich ist, ist auch eine schriftliche Stellungnahme nützlich.

2. Im Rahmen von BION sollte nach geeigneten Partnern gesucht werden, die durch eine Langzeitstudie die Auswirkungen des Holzeinschlags auf die Biodiversität des Stadtwaldes untersuchen. Geeignete Partner könnten z.B. Institute der Universität Bonn sein.

* Revierförster Peter Wohlleben engagiert sich seit langem persönlich für nachhaltige Forstwirtschaft sowie den Erhalt urwaldnaher Wälder in Deutschland. Die Gemeinde Hümmel besitzt rund 750 Hektar Wald, der seit 1995 konsequent ökologisch bewirtschaftet wird. Als moderner, konsequent ökologisch ausgerichteter Forstbetrieb bietet das Revier Hümmel ein umfassendes Dienstleistungsangebot.

Begründung

Biodiversität ist für die Stadt Bonn – zumindest laut ihren Bekundungen – ein wichtiges Ziel. So war die Stadt im Mai 2008 Gastgeber der 9. Vertragsstaatenkonferenz des UN-Übereinkommens über die biologische Vielfalt. 2014 wurde die Implementierung eines Biodiversitätsmanagements in Bonn vereinbart. Die Stadt ist Mitglied im Biodiversitätsnetzwerk (BION) und außerdem sind das IPBESSekretariat und das Global Crop Diversity-Trusts in Bonn angesiedelt.

Allgemeinhin besteht jedoch die Gefahr, dass Biodiversität mehr der Imagepflege dient und allenfalls nur dann noch berücksichtigt wird, wenn keine anderen Interessen, z.B. ökonomische, dieser entgegenstehen.

Das Beispiel des Holzeinschlags im Stadtwald macht den Interessenkonflikt zwischen Ökonomie und Ökologie deutlich.

Zwar wirbt Bonn mit dem Kottenforst und dem Stadtwald als naturnahe Wälder, in denen die Biodiversität groß geschrieben werde. Z.B. wurde zu diesem Zweck der Weg der Biodiversität angelegt, der deutlich machen soll, welche Rolle der Schutz der Artenvielfalt in der Waldpflege spiele.

Die tatsächliche Waldbewirtschaftung steht diesem Ziel jedoch entgegen: Während in der Vergangenheit der Holzeinschlag noch relativ gemäßigt war (2013: 410 Festmeter, 2014: 801 Festmeter), dürfen zukünftig nach dem neuen Forsteinrichtungswerk 2.500 Festmeter pro Jahr dem Wald entnommen werden. Die Verwaltung hat zwar die realistische erreichbare Einschlagsmenge auf maximal 1.800 Erntefestmeter je Jahr eingeschätzt, jedoch ist diese damit deutlich höher als in den vergangenen Jahren. Es ist damit zu rechnen, dass im Laufe der Jahre flächendeckend vor allem die größeren, älteren Bäume verschwinden werden.

Begründet wird die Entnahme der älteren Bäume als ökologisch sinnvolle Maßnahme, nämlich als „Waldverjüngung“.

Tatsächlich bedeutet das Fehlen von älteren und kranken Bäumen eine deutliche Verschlechterung der Artenvielfalt.

Denn es wird nicht berücksichtigt, dass erst ältere und auch kranke Bäume ökologisch besonders wertvoll werden, da nur ihr Holz Insekten und anderen Gliederfüßlern, Pilzen und Höhlenbewohnern Nahrungsgrundlage und Lebensraum bietet. Besonders der dramatische Rückgang von Insekten in den letzten Jahrzehnten zeigt, wie wichtig es ist, ihren Lebensraum zu erhalten. Die wenigen älteren Bäume, die man evtl. von der Fällung ausnehmen will, reichen nicht aus um dieses Gleichgewicht zu erhalten. Und abgestorbene Bäume sieht man so gut wie gar nicht mehr. Nur am Weg der Artenvielfalt hat man zur Demonstration einige stehen lassen.

Darüber hinaus ist der Einsatz schwerer Maschinen bei der Holzernte äußerst bedenklich für die Bodenstruktur (s. Antrag der Grünen in der BV Bad Godesberg, Beitrag des Försters Wohlleben im GA vom 3.1.17)

Um ein objektives Bild von den Auswirkungen des massiven Holzeinschlags zu erhalten, ist es für die Mitglieder des Ausschusses für Umwelt und Verbraucherschutz wichtig von sachkundiger und behördlich unabhängiger Stelle eine Bewertung zu erhalten.

Hierbei könnte man sich an der Implementierung des Biodiversitätsmanagements in Bonn von 2014 (DS-Nr:1312015NV4) orientieren, das Akteure benennt, die bislang im Bereich der Biodiversität in der Stadt Bonn engagiert sind. So wird in dem Bericht explizit darauf hingewiesen, dass es durch die nationalen Netzwerke möglich ist, Wissen und Erfahrungen von anderen Akteuren und der Stadtverwaltung zu sammeln und auszutauschen.

Die Langzeituntersuchung könnte sicherlich auch für Institute der Universität von Interesse sein, da sie exakt dem Handlungsfeld von BION entspricht. Zitat: „Durch den Prozess einer multidisziplinären, dynamischen und gezielten Vernetzung (“Networking”) beschäftigt BION sich mit Fragen zur Biodiversität auf lokaler, regionaler, nationaler und globaler Ebene.“( http://www.bion-bonn.org/de)