Das Theater Bonn als regionales Mehrspartenhaus

Von | 17. März 2016

Die Kultur in Bonn lebt finanziell über ihre Verhältnisse. Die Kassen der Stadt sind leer, und Besserung ist nicht in Sicht. So sind die Kosten des Theaters der Stadt Bonn vielen ein Stein des Anstoßes:

Die Kultur in Bonn lebt finanziell über ihre Verhältnisse. Die Kassen der Stadt sind leer, und Besserung ist nicht in Sicht. So sind die Kosten des Theaters der Stadt Bonn vielen ein Stein des Anstoßes:
– der Gemeindeprüfungsanstalt, die darauf hinweist, dass bezogen auf die Einwohnerzahl die Stadt Bonn im Bereich Kultur und Wissenschaft das höchste Defizit aller kreisfreien Städte in NRW aufweist, wobei hierfür maßgeblich die Aufwendungen für das Theater ursächlich seien,
– der Bezirksregierung Köln, die die Stadt Bonn angesichts der beschriebenen Situation auffordert, ihr „… bis zum 1.8.2016 zu berichten, durch welche Maßnahmen einem weiteren Anstieg entgegengewirkt werden kann …“, nicht zuletzt
– einem nicht unbeträchtlichen Teil der Bonner Bürger, wie in Leserbriefen und insbesondere in der Bürgerbeteiligung zum Haushalt 2015/2016 „Bonn packt‘s an“ zum Ausdruck gekommen ist.

Auf Beschluss des Kulturausschusses wird die Verwaltung der Stadt nunmehr den Versuch unternehmen, das Theater auf eine breitere finanzielle Basis zu stellen. Das Theater soll ggf. „regionalisiert“ werden. Vordringlich wird zu prüfen sein, ob ein Zweckverband im Sinne des Gesetzes über kommunale Gemeinschaftsarbeit (GkG NRW) als Träger des Theaters infrage kommt. Der Zweckverband würde aus der Stadt Bonn, Gemeinden des Rhein-Sieg Kreises und / oder gegebenenfalls diesem selbst gebildet. Die Frage ist nur, welches Interesse sollten die Gemeinden des Rhein-Sieg Kreises oder dieser selbst an dieser Lösung haben? Den Bürgern des Rhein-Sieg Kreises steht die Nutzung des Bonner Theaters frei, ohne dass sie sich über einen Zweckverband an dessen Unterhaltungskosten beteiligen müssten. Welches Mehr an Kultur würde ihnen der Zweckverband bringen können? Antwort: Ein Mehr zwar nicht, aber den Erhalt des Schauspiels als mögliches Kulturerlebnis.

Die Aussichten stehen also nicht allzu gut für eine Verwirklichung dieses Vorhabens. Dennoch sollte ein Versuch unternommen werden. Denn schwere Zeiten stünden sonst dem Theater bevor. Die Haushaltsüberschüsse des Bundes spiegeln sich leider nicht in den Bonner Haushaltskassen wider, und die Aussichten auf eine Besserung sind angesichts der politischen Prioritätensetzung der Bundesregierung nicht etwa gleich Null, sondern pendeln im negativen Bereich. Das Haushaltssicherungskonzept der Stadt sieht daher für das Theater zum Jahr 2018 „eine Kostenreduzierung von 1,25 Millionen € und dann jährlich steigend bis 2022 von 8 Millionen €“ vor, was Inhalt der Intendantenverträge werden soll (gpaNRW, Stadt Bonn, Vorbericht 2014).

Es ist nachvollziehbar, dass bei derartigen Einsparungen die Wahrung der jetzigen Qualität des Theaters, zumindest was die Oper angeht, nicht zu verwirklichen sein wird. Entweder erfährt das Theater einen zusätzlichen Mittel Zufluss oder es geht ihm wirklich an den „Kragen“ Im letzteren Fall gibt es nur zwei Alternativen:

  1. Entweder erleidet das Theater in seinen beiden Sparten eine Absenkung des künstlerischen Niveaus, was insbesondere die Oper treffen würde. Beim Schauspiel ist ohnehin nicht viel zu machen, agiert dieses doch bereits auf einer Ebene, die nicht viel Raum nach unten zulässt. Woran liegt das beim Schauspiel? Liegt es an den Schauspielern selbst? Die Frage ist nicht so einfach zu beantworten. Beachtlich starke und beachtlich schwache Leistungen stehen nebeneinander, nicht etwa nur im Vergleich verschiedener Schauspieler, sondern das Phänomen bietet sich bei ein und demselben Schauspieler. Es muss etwas mit der Regie zu tun haben. Sie hat den Schauspieler an die Hand zu nehmen. Aber hier scheint in Bonn ein deutliches Defizit an „handwerklicher“ Kunst vorzuliegen. Ideen in Form zu gießen, gelingt nur, wenn man von der Form etwas versteht.
  2. Oder die andere Alternative: Eine Sparte muss um des Qualitätsniveaus der anderen „daran glauben“, fragt sich nur, welche. Da gab es die Idee der Opernpartnerschaft zwischen Köln und Bonn des vergangenen OB Nimptsch, die so schlecht nicht war, die aber eines entscheidend übersah: Beethoven Orchester und Oper Bonn bilden eine symbiotische Beziehung. Mit dem Wegfall der Oper könnte das Beethoven Orchester im wahrsten Sinne des Wortes einpacken. Und was bleibt dann vom Anspruch Bonns als Beethoven-Stadt? Nichts!

Bleibt nur das Schauspiel (s.o.). Es könnte reduziert werden auf ein Kammerspiel-Theater im ursprünglichen Sinn, mit entsprechend kleinem Ensemble und entsprechend kleiner Spielstätte. Oder es wäre gänzlich als Sparte einzustellen, seine Aufgaben würde die freie Theaterszene übernehmen. Es wäre auch daran zu denken, auf Gastspiele von Tourneetheatern auszuweichen. Und ist der Weg nach Köln für den Schauspiel-Liebhaber wirklich zu weit? Wahrscheinlich fährt der echte Liebhaber schon jetzt nach Köln.

Merke: 8 Millionen € werden im Jahre 2022 und den folgenden einzusparen sein. Davor geht’s auch nicht ohne. Mehr wäre sogar besser. Möge die Regionalisierung des Theaters die Rettung bringen!

Reinhard-F. Schulz – kulturpol. Sprecher –